Das Haus Linggstrasse 14 - ehemals Kirchgasse D4 - wurde vermutlich ca. 1380 erbaut. Die Zusammensetzung des Gesteins : „Bollesteiner“ grosse Bodenseekiesel durchsetzt mit Ziegelresten, die sich sowohl in den Grundmauern als auch im Sockel und den Resten der Isoliermauer zum Schutz der Aussenmauer vor der Hitze des Backofens befinden, lassen vermuten, dass das Haus bereits als Bäckerei gebaut wurde.
Das Bild, entstanden ca. 1900, zeigt die Mauer des Gartens des Damenstiftes aus der Sicht von Kirchgasse D4. Das schmiede-
eiserne Törchen in der Mauer ist mein Indiz, dass die Bäckerei in unserem Haus die Hofbäckerei des Damenstiftes war.
Bis 1912 wurde die Bäckerei von den Bäckersleuten Raichle geführt , zuletzt von der Bäckermeisterswitwe Raichle. In den Büchern der Stadt Lindau erscheint 1896 bereits nur die Witwe. Sie musste eine Strafe zahlen wegen zu klein geratener Brote. Die in Lindaus Stadtrecht in früheren Jahren verbürgte Strafe in diesem Fall, das Absenken des Delinquenten vom Diebsturm aus im abgestandenen Wasser des Inselgrabens, war zu dieser Zeit nicht mehr möglich. Seit dem Bau des Lindauer Bahnhofs war der Inselgraben zugeschüttet.
Ein sogenannter Bäckerkorb. Dieses Exemplar
steht in Rothenburg ob der Tauber
http://www.blog.zitante.de/index.php?catid=12
1906 im Mai finden wir wieder einen Eintrag in den Büchern der Stadt. Die Backstube der Bäckerei Raichle sollte laut neuer Bauordnung ein weiteres Fenster erhalten, da die Lüftungssituation für die Beschäftigten unzumutbar sei. Frau Raichle machte eine Eingabe beim Bezirksbauamt Augsburg: Sie wolle sowieso demnächst den Betrieb aus Altersgründen schließen und der Mauerdurchbruch sei eine unzumutbare finanzielle Belastung. Das Bezirksbauamt erwiderte, dass sie in diesem Fall sofort schliessen müsse oder das Fenster einbauen. 1907 ein Jahr und ein Tag nach der ersten Aufforderung finden wir nach etlichen Mahnungen den Bericht von Polizeihauptmeister Xxxxxx, dass das Fenster eingebaut sei.
1912 wurde der Backbetrieb eingestellt.
1921 kaufte mein Großvater das Haus von der Pflegetochter - eine Überlebende der Hamburger Pest - der Eheleute Raichle. Mein Großvater war zu dieser Zeit Pächter der Ställe beim Gasthof Stift. Als das Haus bereits in seinem Besitz war, fragte ihn ein Kunde, nämlich der Besitzer der Bäckerei im Gasthof Sonne in Sigmarszell, was denn aus dem Haus vom Bäcker Raichle geworden sei. Mein Großvater erwiderte, er könne sich ja mal umhören, warum er es denn wissen wolle. Der Bäcker darauf; dann könne er auch unter der Woche sein Sigmarszeller Landbrot verkaufen und nicht nur zum Wochenmarkt am Samstag. Mein Großvater fand die Idee gut, allerdings nicht im Sinne des Sigmarszellers.
In Wangen kaufte man einen Leiterwagen und von da an musste meine Oma täglich mit ihrem Leiterwagen laut klappernd, früh um 5:00 Uhr durch Lindaus Straßen von Bäcker zu Bäcker ziehen und das jeweilige Brot, für das dieser Bäcker besonders bekannt war, einsammeln und im alten Bäckerladen der Raichles kehrte wieder Leben ein. Bis 1959 war dann in Lindau die
Brotniederlage des Klemens Böck, oder zeitweilig auch
Brotabgabe des Klemens Böck genannt, dafür zuständig, dass die Leute hier in der Nachbarschaft die besten Brezeln, Semmeln, Brote und Kuchen der Lindauer Bäcker zur Auswahl hatten.
Als meine Oma aus gesundheitlichen Gründen ans Aufhören denken musste, verhandelte sie mit der Brauerei Karg aus Heimenkirch, für die sie einen Flaschenbierverkauf hatte, dass man aus den Räumlichkeiten eine Gaststätte machen könne. Angesichts des stetig wachsendenTourismus eine weise Überlegung. ( Ich bin stolz auf meine Oma ) Der Gedanke war geboren und nachdem die Brauerei Karg sich in Erbstreitigkeiten auflöste, stürmten sämtliche Brauereien der Region - und das waren damals nicht wenig - unser Wohnzimmer. Leider entschied sich mein Vater nach Biergeschmack und nicht nach der Qualität als Handelspartner. Aber nach heftigen Umbauarbeiten öffnete 1960 zum 1. Mai das “Raichlebeck“ als gutbürgerliche Gaststätte. Die Brauerei dachte nur ans Bierverkaufen und so hatte die erste Pächterin große Mühe, der Brauerei, als ihrem Vermieter klarzumachen, welche Umbauten nötig seien um eine ordentliche Gaststätte zu führen. Schließlich kündigte die Brauerei und als nächster Pächter kam ein gastronomisches Genie.
Herr Frischmann, der neue Wirt, bot nur 3 Gerichte, aber jeden Tag drei andere an, diese aber in Spitzenqualität. So sprach sich unter Lindaus Touristen schnell herum, wo man in Lindau am besten essen kann. In dieser Zeit dachte ich als 11jähriger erstmals daran einmal hier Wirt zu werden. Als Herr Frischmann gesundheitlich bedingt aufhören musste, gings mit der Gaststätte stetig bergab. Die Pächter wechselten häufiger als in den Räumen ordentlich geputzt wurde.
Nach 23 Jahren Fremdverpachtung übernahm ich mit Unterstützung meiner Frau die Gaststätte.
Als Partnerbrauerei entschieden wir uns für das Bürgerliche Brauhaus Ravensburg, eine Entscheidung, die wir nie bereut haben. Im Laufe unserer Handelsbeziehung entwickelte die Brauerei die Bürger Weisse, ein Hefeweizenbier das im Brauwesen Maßstäbe setzte, ebenso das dunkle Weizen, den sogenannten schwarzen Bürger, sowie die leichte Weiße, und last not least das b. ein Szenebier, das bald in aller Munde war, wo es ja auch hingehörte.
Leider stellte die Brauerei den Braubetrieb zum 31.12.2000 ein, da die Brauanlagen überaltert waren und eine Renovierung zu aufwändig gewesen wäre.
So wurden wir an die Brauerei Farny verwiesen. Eine Brauerei, deren Biere nicht schlecht sind, zu der ich aber keinen inneren Bezug entwickeln konnte. So entschlossen wir uns 2009 im August unsere Biere von der Braumanufaktur Simmerberg zu beziehen. Dieser Entschluss erfüllt uns mit viel Freude, da die Simmerberger Biere, allen voran das Rödler von den Gästen begeistert angenommen werden.
Hinzu kommt, dass Familie Schlechter, die beim Bürgerlichen Brauhaus die Aktienmehrheit hatten, auch in Simmerberg diese Position halten und wir mit Familie Schlechter nicht nur verwandtschaftlich, sondern auch freundschaftlich verbunden sind.
Ausserdem bin ich gebürtiger Simmerberger.
Vom Beginn an war uns klar, dass wir die heimische Küche anbieten wollen. Da es hierzu leider keine Literatur gibt, wie die Schwäbische Küche gastronomiegerecht aufbereitet wird, das heißt: so, dass es arbeitstechnisch in vertretbarer Zeit zum Gast kommt, und wirtschaftlich soviel hängen bleibt, dass man davon leben kann, waren die ersten 18 Monate nicht wirklich befriedigend. Zwar waren die Gäste zufrieden, was mich als sogenannten Quereinsteiger mit Stolz erfüllt, aber es war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Doch dann bot der Hotel und Gaststättenverband für Lindau ein Seminar “Wareneinsatz in der Küche“ an. Referent war Willy Ost, der mit Beispielen aus
seinem Betrieb, den “Sieben Schwaben Stuben“ in Augsburg arbeitete. Das war für mich wie eine Offenbarung. Nach kurzem Gespräch wurde ich eingeladen, in seiner Küche zu spionieren.
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Seit vielen Jahren hat mich meine Frau aus der Küche verdrängt, nicht weil ich so schlecht gekocht hätte. Aber die Gäste, selbst emanzipierte Frauen, verlangen den Chef, also Hände waschen, abtrocknen, nach vorne Hände schütteln und da ich auch noch eine starke Neigung zum Ratschen habe, ging in der Küche nichts mehr voran.
Und so sind wir seit über 30 Jahren - im Gastronomiebereich absolute Grufties - die Wirtsleut vom Raichlebeck. Soweit es die Gesundheit zulässt, werden wir noch ein paar Jahre weitermachen.
Was weiter wird - steht in den Sternen.
Allen, die dazu beigetragen haben, wie sich das Raichlebeck entwickelt hat, ob Gäste, Freunde, etc. ein herzliches